Seit Beginn des Informationszeitalters sind auch digitalen Technologien exponentiell gewachsen; dies brachte in der Folge die Entwicklung mit sich, dass auch die Wege, sich sozial zu vernetzen, für viele Menschen einfacher zugänglich geworden sind. Doch damit wächst gleichzeitig auch die Komplexität des Themas an sich: Mehr Möglichkeiten zu haben, bedeutet auch, neue, höhere Ansprüche zu stellen – so beispielweise haben viele Arbeitnehmer heutzutage größere Erwartungen an ihre Arbeitgeber hinsichtlich einer flexibleren Gestaltung von Arbeits- und Privatleben.
Aber: Die damit verbundenen Fallstricke für Unternehmen als Verantwortliche liegen ebenso auf der Hand, müssen sie doch sicherstellen, dass auch Bedürfnisse nach echten menschlichen Beziehungen erfüllt und die digitalen sozialen Interaktionen positiv erlebt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Wohlbefinden, die Zufriedenheit und letztendlich die Produktivität der Mitarbeiter bestmöglich unterstützt werden.
In den letzten 25 Jahren hat sich die Welt verändert. Internet und mobile Endgeräte führten zu einem Boom an digitalen Lösungen, die so gut wie jeden Bereich des Lebens begleiten und „verbessern“ sollten. Die Wirtschaft zeigt uns anschaulich, welchen Stellenwert der technologische Nutzen heute hat: Von den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt sind über die Hälfte Technologieunternehmen.
Im digitalen Zeitalter aufzuwachsen, bedeutet ein „Digital Native” zu sein: Meister der digitalen Technologien, sicher im Umgang mit diesen als auch Kenner der jeweils besten Nutzungsmöglichkeiten. Bis 2025 wird diese Gruppe 75% der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Damit steht wohl außer Zweifel, dass dieser Generationswechsel erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt generell und die Arbeitgeber im Besonderen haben wird.
Digitale Technologien haben das Leben und Arbeiten der Menschen in vielen Bereichen nachhaltig beeinflusst: Nicht nur soziale Vernetzungen, auch der Gaming-Bereich, die Verbreitung und Nutzung von Inhalte im und über das Netz, agile Arbeitsmodelle sowie Kommunikation und Markenbindung müssen neu betrachtet werden. In diesem Zuge haben sich auch die Erwartungen von Arbeitnehmern gegenüber dem Thema Arbeit verändert – genährt durch die Aussicht auf einfachere und produktivere Systeme wird so auch die digitale Transformation auf allen Ebenen weiter vorangetrieben.
Die Integration digitaler Hilfsmittel ist ein weiteres Zeugnis dieser Entwicklung. Müslipackungen mit Schrittzählern als „Gimmick“ sind dabei sicherlich nur die Spitze des Eisbergs – von Smartwatches, die integrierte Pulsmesser vorweisen über Wellbeing-Apps bis hin zu mobilen Trackern in zum Beispiel Sportschuhen: Die Themen Gesundheit und Wohlbefinden haben ihren Platz im Leben der Menschen als feste Konstante eingenommen – und dieses bewusste Auseinandersetzen mit Körper, Geist und Seele bleibt von Unternehmen, allen voran Technologiekonzernen wie Google, Apple & Co., nicht unbemerkt.
Das Problem: Viele der heutigen Arbeitgeber konnten mit dem Tempo dieses Wandels kaum Schritt halten: Nur 20% der Unternehmen setzen bisweilen mobile Personal- bzw. effizienzsteigernde Anwendungen ein. Betrachtet man jedoch die Arbeitnehmerseite, zeigt das Umfrageergebnis, dass sich mehr als 90% der befragten Mitarbeiter agile und moderne Technologielösungen wünschen würden.
Insbesondere große Konzerne fallen bei dieser Herausforderung negativ auf: Nicht nur fällt es vielen dieser Unternehmen schwer, Änderungen im ersten Schritt durchzusetzen, auch die effektive Implementierung in der Organisation selbst ist ein nicht zu verachtender Stolperstein in diesem Unterfangen.
Aber warum greifen diese Strategien nicht? Liegt es am Misstrauen der Mitarbeiter? Ist es eine Art digitaler Überdruss, der die Menschen auf der Suche nach dem jeweils Neuesten und Besten erfasst, oder ist es schlicht Desinteresse? Um zum Kern dieser Fragen vorzudringen, ist es wichtig die Wirkungsweise der möglichen Lösungen auf die Belegschaft zu verstehen, um anschließend den Wert der Gesundheit- und Wellbeing-Leistungen richtig einschätzen zu können.
Zwar gibt es durchaus schon eine ganze Palette von Möglichkeiten in diesem Bereich: Von der Unterstützung eines gesunden Schlafs bis hin zu speziellen Hilfsangeboten zur Gewichtskontrolle beziehungsweise für eine ausgewogene Ernährung etc. Trotzdem gilt es die Lücke zwischen dem, was die Menschen wirklich brauchen und dem, was Arbeitgeber bieten, zu schließen, um die wirtschaftlichen Vorteile auch realisieren zu können.
Nuno Abreu, Director bei Aon Portugal, glaubt, dass die Belegschaften der Zukunft gänzlich anders aussehen werden als dies heute der Fall ist – und zwar unabhängig davon, ob die Nachfrage nun durch den Bedarf der Nutzer oder durch den Druck der Technologieunternehmen und ihrer neuesten Lösungen angetrieben wird:
„Die Flexibilität und Personalisierung, die die digitale Technologie mit sich gebracht hat, wirkt sich darauf aus, wie Menschen mit ihrer Arbeit umgehen. Der Trend zeigt: Wenn sich neue Möglichkeiten auftun, könnten diese die Dynamik von Beschäftigungsverhältnissen deutlich verändern. Das gleiche gilt für die Erwartungen, die mit der Entwicklung eines neuen Mitarbeitertyps in der Arbeitswelt verbunden sind. Für Unternehmen werden diese Veränderungen deutliche Herausforderungen mit sich bringen; die richtigen Reaktionen hierauf können jedoch gleichermaßen zu neuen Wettbewerbsvorteilen führen.“
Entscheidend ist also, ein Gleichgewicht zu finden und Technologien gezielt bereit zu stellen, um so das Unternehmen gegen unvorhersehbare oder sich verändernde Umstände zu wappnen und mit gutem Beispiel voran zu gehen.
Von Mensch zu Mensch: Technologie als Schlüssel
Kein Zweifel: Die moderne Technologie hat und wird unseren Arbeitsplatz nachhaltig verändern. Doch egal ob generelle Verbesserungen im betrieblichen Ablauf oder neue Kommunikationskanäle, die es uns ermöglichen sollen, jederzeit und überall soziale und berufliche Kontakte zu knüpfen – die Frage aller Fragen bleibt doch: Fühlen sich Mitarbeiter, denen diese Lösungen zur Verfügung stehen, auf menschlicher Ebene wirklich enger miteinander verbunden? Schlussendlich wird deutlich, dass viele von uns einem Trugschluss aufsitzen, zeigen Untersuchungen doch, dass genau das Gegenteil die Folge ist: Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte und Mitarbeiter empfinden gerade aufgrund der verstärkten, technologiegesteuerten Kommunikation ein Gefühl der Einsamkeit.
Zwar haben Instant-Messaging-Dienste und Videokonferenzen den Übergang zum Home-Office erleichtert, doch echte menschliche Verbindungen erfordern schon von Natur aus räumlicher Nähe. Und hier verbirgt sich die echte Herausforderung für Arbeitgeber – sowohl während des COVID-19-Lockdowns als auch in der nun folgenden „neuen Normalität”.
Andrea Tarantino, Global Reward & International Mobility Director bei Campari, sieht in der Gewährleistung menschlicher Interaktion den Schlüssel zu sinnvollen sozialen Aktivitäten:
„Die wirklich interessante Entwicklung besteht darin, wie wir menschliche Beziehungen in Zukunft neugestalten werden. Warum? Weil unser Blickwinkel sich um 180 Grad gedreht hat: Vor der Pandemie haben wir persönliche Treffen als „nice to have” betrachtet; es ging mehr und mehr darum, die Dinge aus der Ferne „mobil“ zu erledigen, oder aber möglichst schnell in kurzen Meetings zu lösen. Jetzt, ein halbes Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie, hat sich vieles grundlegend gewandelt. Ein persönliches Treffen ist nun ein „prefer to have”; eine echte, persönliche Interaktion, die mit einem positiven Einfluss auf unsere eigene Psyche verbunden ist. Wir haben unsere Anwesenheit in der Nähe anderer immer als selbstverständlich betrachtet, da unsere sozialen Bedürfnisse auf diese Weise regelmäßig erfüllt wurden. Die Herausforderung von morgen wird nun darin bestehen, den funktionalen Zweck von Interaktionen mit der menschlichen Natur in Einklang zu bringen.“
Die Entscheidung der Unternehmen, zu Home-Office Lösungen überzugehen, um Betriebsabläufe möglichst störungsfrei weiterzuführen, hat dazu geführt, dass auch weniger verbreitete Technologien schnell an Aufmerksamkeit gewonnen haben. Die Durchführung von Online-Workshops unter Einsatz von digitalen Whiteboards und virtuellen Notizfunktionen können beispielsweise die Zusammenarbeit in der Gruppe erleichtern und für vielfältige Interaktionen sorgen. Diese Möglichkeiten helfen Menschen, die Lücke zwischen dem „echten“ Leben und einem „virtuellen“ Austausch zu verkleinern – ein solches miteinander Arbeiten kommt den gewohnten Abläufen näher, eine Anpassung an neue Verhältnisse wird demnach leichter.
Insbesondere die Durchführung von Videokonferenzen hat einen positiven Einfluss auf die Teamarbeit, da jeder Mitarbeiter für sich an dem Meeting teilnehmen kann. Heißt: Jeder ist gleich sichtbar, keiner „verschwindet“ hinter einem anderen. Die Einbindung des Menschen als Individuum im Arbeitsprozess – mit eigener Meinung und eigener Stimme – wird einfacher und gleichwohl fairer; der Zusammenhalt und das Miteinander innerhalb der Teams gefördert.
Des Weiteren können der stete Zugriff auf Intranet und interne soziale Kanäle bessere Wege zur Datenerhebung eröffnen, da hier jeder gleichberechtigt und für alle sichtbar seinen Beitrag für das Unternehmen leisten kann. Dies kann besonders großen Organisationen zu Gute kommen, müssen diese doch gegebenenfalls nicht nur ihr Risikomanagement, sondern auch die zugrunde liegenden Sicherheits- und Social-Media-Richtlinien neu anpassen, wenn Mitarbeiterengagement hauptsächlich über Social Media angetrieben werden soll.
Neben der bereits angesprochen großen Anzahl an möglichen Optionen für ein besseres soziales Miteinander und eine gesteigerte Interaktion, müssen Unternehmen eine weitere, grundlegende Herausforderung angehen: Die Sicherstellung dessen, dass alle Mitarbeiter auch über die nötige Kenntnis zur Nutzung der angebotenen Technologien verfügen. Nuno Abreu hält es hierbei für notwendig, an eben diesem Punkt anzusetzen. Dies gilt seiner Meinung nach insbesondere für erfahrene, häufig ältere Mitarbeiter, die meist auch über das größte Geschäftswissen verfügen. Er weist darauf hin, dass eine Einbindung dieser Zielgruppe in den Prozess besonders deshalb wichtig sei, damit auch die nächste Generation ihr Potenzial voll ausschöpfen könne:
„COVID-19 hat die Agenda des “Social Wellbeings“ und dessen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit erneut verstärkt. Die meisten Unternehmen folgten bei Ausbruch der Pandemie der Devise „jetzt oder nie”, da sie praktisch über Nacht das Arbeiten von zu Hause aus ermöglichen mussten. Doch gleichzeitig schauen wir auch in die Zukunft – und müssen ein Verständnis dafür aufbauen, wie die digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter in der Arbeitswelt von Morgen – dem „new normal“ – aussehen müssen.“
Nuno Abreu, Director bei Aon Portugal
Die Schattenseite einer hyper-vernetzten Welt
Wie viele große Veränderungen zuvor bringen auch die Folgen der COVID-19 Pandemie unerwartete „Nebenwirkungen“ mit sich: Durch neue Tools und Kommunikationskanäle, die jederzeit auch von den persönlichen Geräten aus zugänglich sind, verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben allmählich. Abreu erklärt, dass die Mitarbeiter nun zwar endlich die lang ersehnte Flexibilität im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen hielten, jedoch viele von ihnen hierdurch auch mit neuen Problemen zu kämpfen hätten:
„Es ist wahr, dass Arbeitnehmer diese neue Flexibilität seit langem angestrebt haben, doch dürfen wir die damit einhergehenden Folgewirkungen nicht ausblenden. So ist es für einige Menschen deutlich schwieriger geworden, von der Arbeit abzuschalten, da es keine klaren Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben mehr gibt. Das tägliche Pendeln zur Arbeit wird beispielsweise von Manchem gerade deswegen geschätzt, da er oder sie diese Zeit zum Nachdenken und echtem Abschalten von der Arbeit nutzt. Wichtig ist daher zu lernen, die Dinge, die uns wichtig sind, wieder fest in unser Leben zu integrieren – in keinem Fall dürfen wir durch die neuen Umstände zu Sklaven der Technologie werden.“
Sich selbst strengere Arbeitszeiten zu setzen und klar Regeln für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu etablieren, ist von entscheidender Bedeutung. Auch ist es wichtig, ab und an eine wirkliche Auszeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, ob die persönlichen Bedürfnisse in Einklang mit der eigenen aktuellen Arbeitssituation stehen. Einige Länder haben dies bereits sehr ernst genommen und gesetzliche Bestimmungen erlassen, die Arbeitnehmern das “Recht auf Unterbrechung der Verbindung” („right to disconnect“) einräumen, wie z.B. das französische El-Khomri-Gesetz (Artikel 55, 2017), welches das Recht der Arbeitnehmer auf Ruhepausen außerhalb des Arbeitsplatzes festschreibt.
Digitale Tools können sich durchaus als nützlich erweisen, um soziale Interaktionen und funktionale „Konnektivität” zu erleichtern, doch auf dem Weg zur Selbstfindung und zur Erkenntnis des eigenen Berufs- oder – größer gedacht – des eigenen Lebenswegs sind sie gänzlich ungeeignet. Der stete Austausch über soziale Medien hat dazu geführt, das eigene Leben immer wieder mit denen anderer Menschen zu vergleichen – ungeachtet der Tatsache, dass diese mit der Wirklichkeit häufig nicht viel gemein haben. Dies gilt vor allem für die Generation, die Social Media als festen Bestandteil ihres Lebens betrachtet. Der Rausch der sozialen Medien – Instagram, TikTok, Facebook & Co. – verführt viele dazu, den eigenen mit dem wahrgenommenen Erfolg anderer Menschen zu vergleichen, ebenso wie dem Druck nachzugeben, die bestehenden persönlichen Beziehungen denen unterzuordnen, die anhand von „Likes“ auf irgendwelchen Plattformen nachzuzählen sind.
Eine solch verzerrte Realität und die lückenhafte Selbstdarstellung, wie sie für Social Media meist typisch ist, können im schlimmsten Fall Selbstvertrauen, die Sicht auf das eigene Leben sowie bislang gute Beziehungen zerstören. Darüber hinaus erschwert eine rein auf Sensationen ausgerichtete Berichterstattung, gepaart mit einem gänzlich falschen Nutzungsverhalten besagter Kanäle, die Fähigkeit, rational und passend auf „echte“ Krisen in der realen Welt zu reagieren.
Mobbing, Body-Shaming, Hate Speech und andere negative Verhaltensweisen von Nutzern zeigen zu guter Letzt auf, welches zerstörerisches Potenzial die an sich positive Entwicklung der Kommunikationstechnologien haben kann – und dies gilt schon lange nicht mehr nur für die jüngere Zielgruppe.
Schlussendlich muss man festhalten: Technische Weiterentwicklungen im Bereich der Kommunikation sind meist Fluch und Segen zugleich. Richtig angewandt können sie vielen von uns dabei helfen, Beziehungen zu knüpfen und aufrecht zu erhalten; jedoch besitzen sie auch das gefährliche Potenzial, der psychischen Gesundheit von Menschen – aus unterschiedlichsten Gründen heraus – nachhaltig zu schaden.
Soziale Medien basieren auf komplexen Strukturen. Um falschen Nutzungsweisen erst gar keinen Raum zu bieten, ein Verständnis für die adäquate Anwendung zu generieren und gleichsam die Produktivität der Mitarbeiter hoch zu halten, müssen Arbeitgeber ihre Belegschaften aufklären und über die potenziellen Gefahren der Vernetzung und Informationsverbreitung im „sozialen Raum“ informieren.
Dass jedoch mittlerweile viele Menschen sensibilisierter sind und gewissenhafter mit potenziellen Gefahren umgehen, unterstreicht Frank Bach, Lead Product Designer bei Headspace, indem er anmerkt, wie die COVID-19-Pandemie Menschen dazu veranlasst hat, ihre Beziehung zur Technologie zu hinterfragen. Immer stärker würde nach Wegen gesucht werden, die eine sinnvolle und positive Integration digitaler Tools in das eigene Leben ermöglichen:
„Es gibt eine Verschiebung in Richtung Authentizität. Die Menschen wollen auf eine Weise gesehen und angesprochen werden, die echt ist. Ich sehe die Rolle von digitalen Tools wie Headspace darin, eine stärkere Kundennähe zu schaffen, indem wir den Menschen wirklich zuhören, ihre Bedürfnisse verstehen und so Probleme schlussendlich lösen können. Tatsächlich hat COVID-19 eins geschafft:
„Den sprichwörtlichen Vorhang zu lüften, den Menschen wieder die Kontrolle über ihr Leben und Arbeiten zurück zu geben und sie selbst entscheiden zu lassen, wie sie zur Technologie stehen. Die Menschen finden ihre eigene Balance wieder. Sie können Ihr Telefon ausschalten, Benachrichtigungen stumm schalten und Arbeits- sowie Lebenszeit auf eine Art und Weise gestalten, die für sie passt.“
Frank Bach, Lead Product Designer bei Headspace
In den ersten Tagen des COVID-19-Lockdowns zählte Headspace zwölfmal so viele Nutzer, die die angebotenen Meditationsübungen gegen Angstzustände nutzten. Ähnlich sah es im Bereich der Meditationen gegen Stress aus: Auch hier verzehnfachte sich die Anzahl der registrierten Nutzer. Und auch Aon stellte mit Blick auf die eigens entwickelte WellOne-App fest, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit und dem Thema Wellbeing in den Köpfen der Menschen angekommen ist: Die Nutzung der Aon Well One-App stieg um mehr als 25%.
Nuno Abreu hebt dabei hervor, dass diese Dienstleistungen nicht nur für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer entscheidend sind, sondern dass sie zudem auch Daten liefern, die für jeden Arbeitgeber relevant sind. Die App und ihre Bausteine können dabei von jedem Einzelnen individuell und privat genutzt werden; für den Arbeitgeber sind dabei nur aggregierte Daten einsehbar, die dazu beitragen können, den eigentlichen Problemen der Belegschaften auf den Grund zu gehen. Mit diesen Erkenntnissen ausgestattet, können Unternehmen gezielt Lösungen für ihre Mitarbeiter erarbeiten, statt nur die Symptome zu behandeln.
„Bevor wir Well One in den Unternehmen implementieren konnten, stellten wir meist Fragen, die die fünf Säulen des Wellbeing abdecken. Das heißt, es ging uns um Aspekte rund um das körperliche, soziale, emotionale, berufliche und finanzielle Wohlbefinden. Dem folgte eine Beratung, durch die die vorhandenen Probleme diagnostiziert werden sollten und die die Basis für einen konkreten Lösungsplan darstellte. Mit Well One haben wir nun einen besseren und zuverlässigeren Weg gefunden, um die Herausforderungen sichtbar zu machen, praktikablere Lösungen zu finden und maßgeschneiderte Strategien zu definieren.“
Aber was ist mit den Arbeitnehmern, die sich aktiv gegen eine Nutzung von Well One entscheiden, weil sie ihre persönlichen Daten nicht an ihre Arbeitgeber weitergeben wollen? Andrea Tarantino, mitverantwortlich für die Realisierung von Well One, hält zwei Dinge für wesentlich, damit Arbeitnehmer bestmöglich von der Idee hinter der Anwendung profitieren: Zum einen geht es darum, die Grundlagen für den Aufbau von Resilienz für die Menschen bereit zu stellen, damit diese mit Veränderungen sowohl im eigenen Leben als auch auf der Welt entsprechend umgehen können. Zum anderen liegt für sie der Schlüssel zum Erfolg in einer klaren Kommunikation der Vorteile gegenüber der Mitarbeiter:
„Nach und nach entstehen immer neue Dynamiken und Stressquellen, mit denen wir zurechtkommen müssen. Diese neue Zeit führt damit verbunden häufig zu zwei Extremen: Entweder verbringen wir plötzlich deutlich mehr Zeit mit unseren Familien und Freunden, oder genau das Gegenteil ist der Fall. Dies führt dazu, dass neue Wege gefunden werden müssen, wie mit solchen Veränderungen umgegangen werden kann – denn auf die bisherigen „normalen“ Möglichkeiten, kann meist nicht mehr zurückgegriffen werden. In Zeiten großer Unsicherheit brauchen die Menschen Orientierungshilfe, eine Gewissheit, die ihnen wieder mehr Kontrolle über das Geschehen gibt. Wenn wir Informationen klar und transparent zur Verfügung stellen, können wir den Menschen damit helfen zu verstehen, was Veränderungen konkret für sie bedeuten. Unsere Strategien können somit die Verunsicherung der Mitarbeiter effektiv reduzieren.”
Zukunft mit Aussicht
Neben den weitläufigen technologischen Veränderungen sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten sind die Menschen auch Zeuge einer starken Unbeständigkeit geworden. Frank Bach sieht diese, nicht von uns beinflussbaren Faktoren als Größen an, die sich auf gleich mehreren Ebenen auswirken: auf unsere Erwartungen an die Welt, auf uns selbst und auf diejenigen, die unser Leben beeinflussen:
„In den letzten 10 Jahren haben wir eine globale Rezession und eine Pandemie erlebt. Junge Menschen, die in den letzten 15 Jahren ins Berufsleben eingestiegen sind, wissen, dass Arbeit nicht das Maß aller Dinge ist – sie gehen das Ganze mit einer deutlich breiteren Perspektive an. Zwar sind sie sich durchaus bewusst, dass Arbeit ein wichtiger Teil und Grundlage des eigenen Lebens ist; die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes aber gleichzeitig von unterschiedlichen Gefahren, bedroht sein kann. Dieses Wissen führt dazu, dass der Wunsch nach aktiver Beeinflussung der Dinge, die das Leben maßgeblich bestimmen, größer wird.“
Tarantino ist zudem der Meinung, dass dieser Wandel insbesondere durch die spezielle Situation während der COVID-19-Pandemie initiiert wurde – heißt: Stein des Anstoßes war nicht nur ein rein persönlicher, sondern allen voran ein gesellschaftlicher Blickwinkel:
„Durch diese besondere Zeit sind wir in bestimmten Dingen deutlich einfühlsamer, sensibler und emotionaler geworden. Durch die Pandemie wurden wir dazu gezwungen, mit eben diesen Dingen direkter umzugehen, sie sozusagen an der Wurzel zu packen. Die plötzliche Reduzierung des menschlichen Kontakts hat zudem dazu geführt, dass viele von uns sich aktiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, was im Leben wirklich zählt, mit welchen Werten wir uns identifizieren und was uns wichtig ist. Egal ob es die Begegnung mit Kollegen in deren „häuslichem“, familiären Umfeld ist, die uns ein besseres Verständnis für die jeweiligen persönlichen Lebensumstände vermittelt, oder aber der Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen und diejenigen, die an vorderster Front kämpfen, um den Betroffenen der Pandemie beizustehen: COVID-19 hat uns mit der uns auferlegten Zeit der Trennungen dabei geholfen, ein besseres Verständnis für sich selbst und für den Anderen zu entwickeln.“
Digitale Angebote wie Apps können hierbei nunmehr einen positiven Einfluss haben, indem sie sicherstellen, dass bisherige soziale Aktivitäten von Mitarbeitern nicht einfach durch unbeeinflussbare Einwirkungen von außen verloren gehen. Egal ob der regelmäßige Sport mit Freunden, Kochkurse, gemeinsame Spiele oder die Nutzung von Messaging-Services wie WhatsApp und Co.: Tarantino kann vom erfolgreichen Einsatz solcher sozialen Lösungen aus erster Hand berichten:
„Einer unserer Werte ist die Stärkung der Zusammengehörigkeit. Genau hierfür wollten wir Momente schaffen, die dieses Gefühl in den Vordergrund stellen: Der Campari Social Club war geboren. Hier haben unsere Mitarbeiter die Möglichkeit zusammenzukommen – egal ob zum gemeinsamen Essen und Trinken, zum Musizieren oder für Gruppenaktivitäten, wie beispielsweise Yoga-Sessions. Unserer Erfahrung nach hatte dieses Angebot einen enorm positiven Einfluss auf die Interaktion zwischen den Teilnehmern – das Gefühl des Zusammenkommens wurde nachhaltig gestärkt.“
Andrea Tarantino, Global Reward & International Mobility Director bei Campari
Es gibt unzählige Möglichkeiten, um Mitarbeiter und Kollegen sozial einzubinden – sowohl auf digitalem als auch auf persönlichem Wege.
Beispiele hierfür sind:
- Teamrituale, wie z.B. ein Kaffee zu zweit oder in kleiner Runde, gemeinsame regelmäßige Frühstücks- oder Lunch-Treffen
- Regelmäßiger Austausch und Updates
- Teilen von Entspannungs- und Gesundheitstipps
- „Gründung“ eines Clubs bzw. Aufsetzen von Übungsgruppen außerhalb der Arbeitszeit (z.B. Buchclub, Sportclub, Sprachlern-Gruppen)
- Durchführung von Wettbewerbe und Teamaktivitäten
Viele Tipps zur Beziehungspflege lassen sich auch gut von zuhause aus umsetzen:
- Einsatz von spezieller Software zur Teamarbeit z.B. Whiteboards, Projektmanagement-Tools etc.
- Nutzung der Videofunktion während Calls und Meetings, um persönlicher miteinander zu kommunizieren
- Vorstellung von Personen (z.B. Familienmitglieder, Freunde, Haustiere) aus dem eigenen privaten Leben gegenüber Kollegen
- Fixes Einplanen von Zeit für nicht-arbeitsbezogenen Austausch miteinander
- Teilen von Tipps und Tricks, die das Arbeiten von zu Hause leichter / angenehm machen
- Regelmäßiger Austausch via Instant-Messaging
Positive soziale Beziehungen herzustellen und zu festigen, ist immer eine Herausforderung – auch in Arbeitsumgebungen. Doch digitale Werkzeuge verfügen über das Potenzial, diese Verbindungen leichter zu realisieren und aufrecht zu erhalten. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch die Sicherstellung, dass die gesamte Organisation dabei berücksichtigt und eingebunden wird. Andrea Tarantino ist der Meinung, dass hierbei die Ansprache einer breiten Palette an Bedürfnissen A und O ist, um digitale Tools adäquat zu integrieren und Mitarbeiter dabei zu unterstützen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen:
“Für die Zukunft denken wir zunehmend darüber nach, wie wir digitale Tools am besten integrieren können und gleichzeitig sicherstellen, dass die gesamte Belegschaft entsprechend befähigt ist, mit diesen Anwendungen auch umzugehen. Darüber hinaus müssen wir uns bewusst sein, was diese Veränderungen für sowohl derzeitige als auch zukünftige Mitarbeiter bedeuten. Schließlich wollen wir sichergehen, dass wir ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, sie motivieren, einbinden und eine klare Bedeutung vermitteln. Dabei geht es uns darum, verbindlich UND verbunden zu sein – wollen wir doch in erster Linie, dass unsere Mitarbeiter sich selbst und das, was ihnen wichtig ist, auch bei uns wiederfinden.“
All diese zur Verfügung stehenden Optionen bieten für Arbeitgeber ein enormes Potenzial, um die unternehmerische Effizienz zu steigern und die Gesamtausgaben zu senken. Möglich wird dies nicht nur durch kosteneffiziente, digitale Lösungen, sondern auch durch Mitarbeiter, denen die neu gewonnene Flexibilität ein Mehr an Produktivität ermöglicht. Die erfolgreiche Ansprache neuer Talente ist schlussendlich der dritte und letzte Punkt auf dem Weg zu einer wachsenden Resilienz – nicht nur von Mitarbeitern, sondern des gesamten Unternehmens.
Auf dem Weg in die Zukunft: Schaffen Sie heute den Arbeitsplatz von morgen und zeigen Sie, was Wellbeing wirklich bedeutet.