"Versicherungspflicht" in der neuen MDR: Was bedeuten "angemessene Vorkehrungen" für Produkthaftungsschäden aus Medizinprodukten?
Im Rahmen der Neuzertifizierung von Medizinprodukten auf die Anforderungen der neuen MDR (Medical Device Regulation), gibt es eine Vielzahl von Auflagen zu erfüllen. Diese stellen insbesondere auf das Qualitäts- und Dokumentationsmanagement ab.
Worauf viele Unternehmen erst im Austausch mit den benannten Stellen aufmerksam werden, ist die „Versicherungspflicht“ gemäß MDR Artikel 10, Absatz 16 (2), die wie folgt lautet:
„Die Hersteller treffen Vorkehrungen, die der Risikoklasse, der Art des Produkts und der Unternehmensgröße angemessen sind, um eine ausreichende finanzielle Deckung ihrer potenziellen Haftung gemäß der Richtlinie 85/374/EWG zu gewährleisten, unbeschadet strengerer Schutzmaßnahmen nach nationalem Recht.“
Entgegen der Deckungsvorsorge für pharmazeutische Unternehmer gemäß AMG §94, worin Anforderungen an den Produkt-Haftpflichtversicherungs-schutz z.B. Mindest-Deckungssummen klar formuliert sind, sieht die aktuelle Version der MDR derzeit nur eine recht allgemeine Formulierung vor. Abzuwarten bleibt, wie die Frage einer risikoadäquaten, ausreichenden Absicherung künftig z.B. durch rechtliche Vorgaben oder die Rechtsprechung ausgelegt oder näher bestimmt werden wird. Bis dahin obliegt es nach wie vor dem Hersteller eines Medizinproduktes, wie er seine Produkthaftpflicht-Versicherung gemäß den Grundsätzen des Risikomanagements ausgestaltet.
Als erfahrener Risikoberater von Unternehmen der Life Science-Industrie, werden wir häufig um Hilfestellung bei der Bewertung der „ausreichenden“ Deckungssumme gefragt. Im Gegensatz zur Versicherungstechnik der Sachversicherung, kann die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung nicht errechnet werden. Das Haftpflichtrisiko wird nach den für die Produkt-/ Tätigkeitsrisiken relevanten Haftungsszenarien bestimmt und ist bis auf wenige Ausnahmen nach oben nicht begrenzt.
Behelfsmäßig können wir als international tätiger Versicherungsmakler zwar auf eigene Benchmark-Zahlen vergleichbarer Risiken zugreifen, dies ist jedoch keine Grundlage für eine „ausreichende“ Deckungssumme. Hier kann letztlich nur der Medizinproduktehersteller selbst bestimmen, welche Deckungssumme er zur Absicherung eines Katastrophenhaftungsszenarios einkaufen möchte. Als mögliche Faktoren für diese Bewertung können z.B. nachfolgende Aspekte in Betracht gezogen werden:
- Welchen Schaden -insbesondere Personenschaden- kann das Produkt in der worst-case-Betrachtung anrichten? Gibt es vielleicht Erfahrungswerte aus früheren Schäden oder Reklamationen wie z.B. Kosten für Revisionsoperationen, Schmerzensgelder, Rentenzahlungen?
- In welchen Ländern werden die Produkte vertrieben? Bei Ansprüchen aus den USA ist z.B. mit deutlich höheren Schadenzahlungen zu rechnen (Sammelklagen, höhere Anwaltskosten, höhere Schadenersatzleistungen)
- Handelt es sich um ein neu entwickeltes Produkt? Hier gibt es eventuell noch keine Erfahrungen hinsichtlich Langzeitschäden.
- etc.
Neben der Höhe der Deckungssummen, spielen für die Bewertung „angemessener Vorkehrungen“ in Form einer Produkthaftpflichtversicherung, aber auch weitere Kriterien wie z.B. Deckungsumfang und Selbstbehalte eine wichtige Rolle. Für die risikoadäquate Ausgestaltung Ihres Haftpflichtversicherungsschutzes, können wir Ihnen als Branchenexperte für Life Science-Unternehmen wertvolle Unterstützung leisten.