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Die Rechtsunsicherheit wird zunehmen

„Die Rechtsunsicherheit wird zunehmen“

Trotz jüngster Reform des Gesetzgebers wird das Risiko einer Insolvenzanfechtung für Unternehmen wieder zunehmen. Die Ursachen erläutert Kai Engelsberg, Experte für Insolvenzanfechtungsrisiken bei Aon, im Interview – und gibt nützliche Praxistipps.

Der Gesetzgeber hat Anfang April 2017 das Insolvenzrecht reformiert. Können Unternehmen jetzt davon ausgehen, dass das Risiko einer Insolvenzanfechtung geringer wird?

Kai Engelsberg: Nein, davon ist nicht auszugehen. Es bleibt das erklärte Ziel des Gesetzgebers, dass möglichst viele Insolvenzverfahren durchgeführt werden können. Die Voraussetzung dafür ist, dass genügend Insolvenzmasse vorhanden ist und die wird vor allem durch die Insolvenzanfechtung generiert. Die Insolvenzrechtsreform hat lediglich zu einer punktuellen Neujustierung des geltenden Rechts geführt. Die Insolvenzverwalter haben nach wie vor den klaren Auftrag, anfechtbare Rechtshandlungen aufzuspüren und daraus resultierende Ansprüche auf dem Weg der Insolvenzanfechtung geltend zu machen.

Wird die Reform des Insolvenzanfechtungsrechts wenigstens dazu führen, dass die Rechtssicherheit bei Unternehmen wieder zunimmt?

Im Gegenteil. Die Gesetze werden erst durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, in diesem Zusammenhang also durch den Bundesgerichtshof (BGH), konkretisiert. Gerade dessen anfechtungsfreundliche Rechtsauslegung hat es den Insolvenzverwaltern vielfach erst ermöglicht, erfolgreich Ansprüche durchzusetzen. Aufgrund der speziellen Materie sind die unteren Instanzen immer wieder überfordert. Daher orientieren sie sich stark schematisch, teilweise nicht ganz zutreffend an den BGH-Urteilen. Da nach Inkrafttreten der Reform die bisherige einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichts in Teilen nicht mehr angewendet werden kann, sind die Instanzgerichte bis auf Weiteres auf sich allein gestellt. Die Folge ist klar: Es wird so lange eine Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen der neuen Bestimmungen geben, bis der BGH wieder wegweisende Urteile gesprochen hat. Bis es soweit sein wird, dürften einige Jahre vergehen. Denn die Verfahren sind langwierig und es müssen alle Instanzen durchlaufen werden.

Worin besteht das größte Anfechtungsrisiko?

Es resultiert daraus, dass der Insolvenzverwalter geltend macht, dass die Zahlungsunfähigkeit des insolventen Unternehmens bereits vor Stellung des Insolvenzantrags bekannt gewesen sei. Diese Kenntnis lässt sich aus Umständen herleiten, die auf die Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Aus diesem Grund kann ein gutes Debitorenmanagement in Bezug auf die Insolvenzanfechtung zum Bumerang werden, obwohl es mit engem Kontakt zu den Schuldnern, viel Kommunikation und einer belastbaren Informationslage als risikominimierende Maßnahme im Hinblick auf die Vermeidung von Forderungsausfällen gilt. Dieser Konflikt kann nicht aufgelöst werden.

Inwieweit können spezielle Versicherungslösungen einen Beitrag zur Risikominimierung leisten?

Das Risiko der Insolvenzanfechtung betrifft jeden, der am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Es ist praktisch nicht möglich, das Anfechtungsrisiko durch das eigene Verhalten zu hundert Prozent auszuschließen. Jedes Unternehmen ist gefordert, sich über seine Kundenstruktur, die Umsatzverteilung, die Kundenbindungsdauer und den Umgang mit kriselnden Abnehmern Gedanken zu machen. Wird dann das Insolvenzanfechtungsrisiko als bilanziell relevant eingestuft, ist es jedenfalls sinnvoll, über den Abschluss einer Versicherungslösung nachzudenken. Für Geschäftsführer und Vorstände gilt dies in jedem Fall schon aus Haftungsgründen.

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